Erststudium beschäftigt das Verfassungsgericht
Ist der Ausschluss des Abzugs für Erstausbildungskosten verfassungswidrig (BFH)?
Der VI. Senat des BFH hat dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten sind, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet (BFH, Beschlüsse v. 17.7.2014 – VI R 2/12, VI R 8/12 u.a.; veröffentlicht am 5.11.2014).
In den insgesamt sechs Streitfällen, die zu den Vorlagen an das BVerfG führten, hatten Steuerpflichtige Ausbildungen zum Flugzeugführer auf eigene Kosten (rd. 70.000 €) absolviert und waren danach als angestellte Berufspiloten für Fluggesellschaften tätig; in anderen Fällen hatten Steuerpflichtige studiert und waren danach auf dieser Grundlage beruflich tätig. Die Steuerpflichtigen hatten ihre Aufwendungen für die Berufsausbildung jeweils als vorweggenommene Werbungskosten geltend gemacht und die Feststellung entsprechend vortragsfähiger Verluste begehrt, um diese dann in den folgenden Jahren mit ihren aus der Berufstätigkeit erzielten Einkünften verrechnen zu können. Dem stand in allen Streitfällen § 9 Abs. 6 EStG entgegen. Die Vorschrift wurde mit Gesetz vom 7.12.2011 rückwirkend ab 2004 eingeführt; seitdem sind Aufwendungen für die erste Berufsausbildung vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen.
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
- Aufwendungen für die Ausbildung zu einem Beruf sind als notwendige Voraussetzung für eine nachfolgende Berufstätigkeit beruflich veranlasst und demgemäß auch als Werbungskosten einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen. Sie dienen der Erzielung einkommensteuerpflichtiger Einkünfte.
- Ein Ausschluss des Werbungskostenabzugs verstößt gegen das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete verfassungsrechtliche Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und ist auch nicht mit Vereinfachung und Typisierung zu rechtfertigen.
- Berufsausbildungskosten stellen auch keine beliebige Einkommensverwendung dar, sondern gehören zum zwangsläufigen und pflichtbestimmten Aufwand, der nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG nicht zur beliebigen Disposition des Gesetzgebers steht. Diese Aufwendungen sind deshalb, zumindest unter dem Aspekt der Existenzsicherung, einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen.
- Dem wird nicht entsprochen, wenn für solche Aufwendungen lediglich ein Sonderausgabenabzug in Betracht kommt. Denn der Sonderausgabenabzug bleibt bei Auszubildenden und Studenten nach seiner Grundkonzeption wirkungslos, weil gerade sie typischerweise in den Zeiträumen, in denen ihnen Berufsausbildungskosten entstehen, noch keine eigenen Einkünfte erzielen.
- Der Sonderausgabenabzug geht somit ins Leere, da er im Gegensatz zum Werbungskostenabzug auch nicht zu Verlustfeststellungen bereichtigt, die mit späteren Einkünften verrechnet werden können.
Hinweis: Dagegen hält der BFH die rückwirkende Anwendung des Abzugsverbots auf das Jahr 2004 für verfassungsgemäß. Insoweit sei die Rückwirkung nach Maßgabe der Rechtsprechung des BVerfG ausnahmsweise zulässig.
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